Manuel Menrath
Unter dem Nordlicht
Galiani
»Wir wurden nicht in Kanada geboren, sondern Kanada wurde auf unserem Land
geboren.« Bären an wilden Flüssen, Ahornsirup, Eishockey, nette Umgangsformen -
unser Bild von Kanada ist von Klischees geprägt. Genauso romantisiert ist unsere
Vorstellung von Indianern, die immerhin einen Großteil des Landes besiedeln:
Lagerfeuer, Adlerfedern, Wildpferde und ein Leben im Einklang mit der Natur.
Doch wie leben sie wirklich? Der Schweizer Historiker Manuel Menrath zeigt es
uns in diesem Buch. Er machte sich auf in entlegene Gebiete im hohen Norden
Kanadas, dorthin, wohin keine Straße führt, und traf Cree und Ojibwe in ihren
Reservaten. Und sie vertrauten ihm,
dem Europäer -
dem Wemistigosh (Holzbootmensch). Sie nahmen ihn mit
zu ihren rituellen Festen und zur Jagd, er lebte
unter
ihnen. In über hundert Interviews erzählten sie ihm von ihrem Leben - ihrem
Verhältnis zur Natur, ihren Vorfahren, ihrer Geschichte - und von
dem Land, das sich heute »Kanada« nennt und dessen
Entstehung für sie mit großem Leid verbunden ist. Sie erzählten von
verschwundenen Tieren, alten Ritualen. Und von den Grausamkeiten in den
Residential Schools, in denen ihre Kinder in die Gesellschaft der Weißen
zwangsassimiliert wurden. Ihre Geschichten handeln von den sozialen wie
seelischen Verwüstungen des kulturellen Völkermords, von Depression, Drogen- und
Alkoholmissbrauch. Allein im Cree-Dorf Attawapiskat gab es im Jahr 2016 100
Selbstmordversuche
unter Jugendlichen - genau in
dem Jahr, in
dem Premier Justin
Trudeau (viel zu spät) die Rechte der Indigenen anerkannte. Manuel Menraths
faszinierendes und tief beeindruckendes Buch berichtet vom Leben derer, die
schon seit Jahrtausenden in Kanada leben - und lässt sie selbst zu Wort kommen.